Viele Eltern möchten in einem Testament ihren Nachlass nach eigenen Vorstellungen regeln – etwa indem sie den überlebenden Ehepartner absichern oder bestimmte Vermögenswerte gezielt verteilen. Doch auch wenn ein Testament die Kinder nicht berücksichtigt, steht ihnen nach deutschem Recht der Pflichtteil zu.
Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Mindestanspruch naher Angehöriger. Er sorgt dafür, dass Kinder, Ehepartner und in bestimmten Fällen auch Eltern nicht vollständig enterbt werden können.
- Höhe: Die Hälfte des gesetzlichen Erbteils
- Art: Auszahlung in Geld, kein Anspruch auf bestimmte Gegenstände oder Immobilien
Pflichtteil der Kinder trotz Testament
Kinder gehören zu den Pflichtteilsberechtigten erster Ordnung. Selbst wenn sie im Testament übergangen oder enterbt werden, können sie ihren Pflichtteil geltend machen.
Beispiel:
- Ein Erblasser hinterlässt Ehepartner und zwei Kinder.
- Ohne Testament würde der Ehepartner die Hälfte erben, die beiden Kinder je ein Viertel.
- Wurden die Kinder im Testament enterbt, haben sie dennoch Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, also je ein Achtel des Nachlasses – in Geld.
Wann können Kinder den Pflichtteil einfordern?
- Nach dem Tod des Erblassers: Der Pflichtteilsanspruch entsteht sofort mit dem Erbfall.
- Nicht zu Lebzeiten: Ein Pflichtteil kann nicht schon zu Lebzeiten der Eltern verlangt werden.
- Keine automatische Auszahlung: Die Kinder müssen den Anspruch aktiv geltend machen.
Typische Streitfälle in der Praxis
- Berliner Testament: Kinder sind erst nach dem Tod beider Elternteile als Erben vorgesehen, können aber bereits nach dem ersten Todesfall den Pflichtteil verlangen.
- Ungleichbehandlung von Kindern: Wird ein Kind im Testament stärker bedacht, können die anderen dennoch ihren Pflichtteil geltend machen.
- Schenkungen zu Lebzeiten: Auch größere Schenkungen können in die Berechnung des Pflichtteils einfließen.
Wie wird der Pflichtteil berechnet?
Die Höhe richtet sich nach dem Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dazu zählen:
- Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere
- Unternehmensanteile
- Hausrat und Wertgegenstände
- Abzüglich Schulden und Verbindlichkeiten
Ein Pflichtteilsrechner oder eine rechtliche Beratung kann helfen, den konkreten Anspruch zu ermitteln.
Fazit
Kinder können auch trotz Testament ihren Pflichtteil einfordern. Für Erblasser bedeutet das: Wer den Nachlass plant, sollte mögliche Pflichtteilsansprüche von Anfang an bedenken. Für Kinder gilt: Wer übergangen wurde, sollte seine Ansprüche rechtzeitig prüfen und geltend machen.




